Anglerlatein
Werkzeugkiste
Vollgas und Herzblut - Der Lieblingsköderweg zum Traumfisch
17:38:00AbgemetertWir Männer sind simpel gestrikt und das ist gut so. Klar, Ausnahmen bestätigen immer die Regel, aber es geht nicht um diese Spitzen. Es geht um die breite Masse. Nagelfeile und Niveaprodukte sind für Fußgängerzonenwanderer und Loungebesucher. Hier geht es um Frischluft, Freiwasser und das Wahrwerden von lang gehegten Träumen. Bear Grylls ist das fleischgewordene TV-Produkt von Männlichkeit und das ganz ohne Feuchtigkeitscreme oder figurbetontes Herrenhemd. Soweit muss es aber gar nicht gehen. Bürohengste und Latte Macchiatotrinker dieser Welt: Öffnet euch ein eiskaltes Bier, setzt euch auf den gasgrillbestückten Balkon und denkt nach was ihr wollt. Falls eure Gedanken eher in Richtung Sonnenaufgang an einem urromantischen See und rauchige Holzkohle, anstatt Leistungsdruck und Zieloptimierung gehen, seit ihr hier genau richtig.
Jäger und Sammler
Beim Angeln kann ich unsere urtypischen Eigenschaften sehr gut Ausleben. Es gibt Unmengen von weniger guten bis hin zu absolut fängigen Angelködern. Eine Rute muss ohnehin her und im feinen Zweiteiler macht es sich auch nicht so gut, wenn Wind, Sonne und Regen ihre Kapriolen spielen lassen. Alles in allem also eine tolle Abwechslung zu Kopierer und Telefon im unklimatisierten Großraumbüro. Schon als kleiner Bub erzeugte für mich ein Maiskorn am Angelhaken mehr Magie, wie die erste Nintendospielekonsole oder frischer Kakao mit Sahnehäubchen. Ach und zum Eincremen musste mich schon damals meine Mutter zwingen.
Maiskorn vs. Milchkaffee
Dann kam aber die Teeniezeit, im Anschluss meine Ausbildung und letztlich der Beruf. Wie sagt man so schön bei uns in Hesse: Schaffe, schaffe, Häusle baue. Am Ende des Tages musste ich echt schon aufpassen, dass ich nicht noch in einem schicken Anzug und Latte Macchiato trinkend meinen Feierabend verbringe. So kam nach vielen Jahren der Maiskorngedanke immer und immer wieder in mir hoch. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich wollte an das Wasser. In all den Jahren meiner anglerischen Abstinenz hatte sich jedoch viel getan. Mais und fetter Regenwurm funktionieren noch immer gut, aber mittlerweile gibt es massenweise Hightech-Köder. Die Ladenregale und Internetgeschäfte sind voll mit Kunstködern jeglicher Art und Weise. Was das bedeutet? Eine leere Geldbörse und befriedigte Sammelleidenschaft verdrängen Büromief und Stress. Da ich gerne aktiv bin, hieß es ab sofort mit Kunstködern auf Raubfisch. Barsch, Hecht, Forelle und Zander rocken für mich seitdem das Süßwasser. Gerade der letztgenannte Räuber, der Zander, hat es mir unglaublich angetan. Das mag viel damit zu tun haben, dass diese Kerle und Mädels verdammt schwer zu haken sind und mein Hausgewässer zwar Zander beheimatet, aber diese sich nur äusserst selten und unter absolut perfekten Bedingungen fangen lassen.
Träume sind keine Schäume
So begann ich vor sage und schreibe zwei Jahren meinen Traum vom großen Zander zu träumen. Zentimeter und Kilogramm waren und sind in diesem Traum nicht entscheidend. Viel mehr zählt die Zeit an der frischen Luft und all die Angeltrips mit Freunden. Gemütliche Abende mit einem erfrischenden Hopfengetränk, unfassbar schöne Sonnenaufgänge und selbst londonartiger Dauerregen auf einem gemieteten Angelboot lassen mich immer wieder schnell zu einem fast Bear Grylls werden. Das gemeinsame Rätselraten warum mal wieder kein Fisch gebissen hat und die immer wieder aufkeimende Spannung beim erneuten Frischlufttrip ans Wasser. Das sind die Eckpfeiler meines Traums.
Um erfolgreich auf der Zanderjagd zu sein, muss Zeit investiert werden. Grundlage dafür ist zunächst ein Gewässer, welches Zander überhaupt beheimatet. Große Flüsse wie Rhein, Elbe und Mosel sind immer eine Reise wert. Talsperren und besonders Baggerseen auch. Zander mögen trübes und nährstoffreiches Wasser. Dann gibts eine Menge Anglerlatein: Zander jagen nur nachts. Zander stehen nur im tiefen Wasser. Der beste Zanderköder ist der tote Köderfisch. Der allerbeste Zanderköder ist der Gummifisch. Diese Liste lässt sich auf Harry Potter-Romanlänge ausbreiten, verfeinern und vergrößern. Klar, die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen, so ist es nun mal bei Anglerlatein. Es gibt dann auch noch eine Menge erfahrener Angler, die für Geld gute Fangplätze zeigen und ihre Erfolgsstragien erklären. Aber wollen wir das eigentlich alles? Wo bleibt denn da unser eigener kleiner Bear Grylls?
Schlüsselerlebnis
Noch allzu gut erinnere ich mich an diesen einen schönen Sommertag. Urlaubszeit. 30 Grad. In den nahegelegenen Schwimmbädern macht die Firma Langnese ihren Jahresumsatz und überall riecht es nach Sonnenöl vom Discounter. Zusammen mit einem Freund bin ich lieber an einen kleinen Baggersee zum Ködertesten gefahren und um ein leckeres selbstgemachtes Käsebrot mit einem kühlen fremdgebrauten Hopfengetränk herunterzuspülen.
Der See selber ist fast nur ein Teich. Fische gäbe es dort, so munkelte man. Gefangen hatten wir aber noch nie etwas, ausser zu unserer Kinderzeit auf die Alte-Schule-Montage (Mais, ist ja klar) und das waren Goldfische oder Rotaugen. So habe ich mit Schlaf in den Augen einen Spinner Richtung aufgehender Sonne gedonnert. Langsam absinken lassen und anschließend eingekurbelt. Wieder langsam absinken lassen und TOCK!!! ANBISS!!! KOPFSTÖßE!!!
Typisch für Zander. Angeblich. Hatte ich oftmals gelesen. Sollte es aber wirklich ein Zander sein? Auf einen Blechköder? An diesem kleinen Tümpel? Keine Minute später lag der erste Zander meines Lebens im gummierten Kescher. Ein kleiner untermaßiger Fisch, der an einem Haken knapp gehakt war. Er hatte also tatsächlich den Spinner attackiert. Schnell wurde er abgehakt und in sein Element entlassen. Majestätisch schlug er mit seinem Schwanz und tauchte dann mit viel Stolz und Rückrat immer weiter in das nicht wirklich tiefe Wasser ab. Das Zittern in meinen Armen und die unfassbar große Freude spüre ich noch heute deutlich, wenn ich an diesen besagten Moment zurückdenke.
Dieses Schlüsselerlebnis hatte mich dazu angestachelt meinen eigenen Weg Richtung Traumzander zu gehen. Quasi meinen Kohlegrill-Weg hin zum Fisch.
Kein Echolot beim Bootsangeln, welches verführerische Standplätze der Raubfische zeigt. Kein erfahrener Guide, der mich zum Erfolg führt und vor allem kein Anglerlatein mehr. Letzteres soll heissen, das ich mir eine Methode ausgesucht habe und diese einfach immer, wenn es zur Zanderjagd geht, durchführe: Das Faulenzen mit einem Gummifisch. Erfunden wurde diese Methode von dem bekannten Angler Jörg Strehlow. Dabei montiert man einen Gummifisch, wirft diesen aus und wartet bis er auf den Gewässerboden abgesunken ist. Dann kurbelt man kurz mal mehr und mal weniger Schnurr ein. Der Gummifisch bewegt sich nun nach oben. Anschließend lässt man ihn wieder absinken. Genau in dieser Phase kommt meist der erhoffte Anbiss. Übrigens ist diese Art zu fischen auch prima um abfallende Kanten in einem See zu finden und so den Gewässergrund quasi blind zu erforschen. Bear Grylls wäre stolz!
Die Methode war nun in Stein gemeißelt. Aber welcher der abertausend am Markt erhältlichen Gummifische sollte es sein? Nach ständigem probieren und testen hänge ich seit mehreren Monaten bei der Firma Lieblingsköder fest.
Deren Wettermethode macht die Farbauswahl einfach, denn schon auf der Verpackung steht welche Farbe die Beste bei welchem Wetter (Wolken oder Sonne) und welchem Wasser (trüb oder klar) ist. Tolle Geschichte, da ich zwar auch ein kleiner Ködersammler bin, aber am Ende des Tages lieber die Natur mit all Ihren Facetten beim Angeln genieße, anstatt beständig in meiner Köderbox rumzusuchen. Der schöne Nebeneffekt bei dieser Geschichte ist, das mein Köder nun viel länger da ist, wo er Fische fangen kann: Im Wasser. Zeitfresser wie die Suche nach dem richtigen Köder gehören der Vergangenheit an und siehe da, es klappt: Der Wasabi Lieblingsköder rockt!
Auf der beharrlichen Suche nach meinem Traumfisch hat es mich und meine Freunde in die wunderbare schwedische Einöde, holländische Touristengebiete oder einfach nach Feierabend an unseren Heimatfluss geführt. Ständig auf der Jagd nach dem magischen Anbiss und immer begleitet von einer Mütze voller Spaß. Alleine unser hessischer Fluss hat von der absoluten Abgeschiedenheit bis hin zur bevölkerten Badehalbinsel alles zu bieten, was Computer oder eine Daily Soap nicht annähernd übertragen können. Sei es ein Graureiher, der uns Angler gerne mit einem spöttischen Blick begrüßt oder wunderbare Seerosenfelder, welche den Wasserbewohnern im Hochsommer willkommenen Schatten bieten. Ganz egal ob einfach und simpel direkt vor der Haustür oder eine längere Reise in die Ferne. Alles geht, nichts muss. Der Anbiss ist das Ziel, aber der Weg dahin kann wunderbar entspannt und aufregend romantisch sein.
Ganz aktuell hatte es mich und meine Freundin nach Holland verschlagen. Eine nicht allzu lange Anreise, die Möglichkeit zu shoppen und natürlich auch zu Angeln haben uns diesen Kompromiss finden lassen. Im örtlichen Angelgeschäft gab es enttäuschende Infos. Die Zander wären im Moment mal wieder zickig. Wenig Regen und ein flacher Pegelstand taten Ihr übriges. Trotzdem sind wir beide jeden Abend hoch motiviert mit unserem kleinen Plastikboot, welches vor Ort angemietet wurde, auf den örtlichen See gefahren und haben unser Glück probiert. Am zweiten Abend herrschte alles, nur kein Sommerurlaubswetter. Kühle Temperaturen, Wind und leichter Regen waren handfeste Argumente gegen Badehose und Sandalen. Trotzdem und gerade deswegen ließen wir an diesem besagten Abend unsere rote Plastiknussschale über eine Kante in die Tiefe des Sees treiben.
Am Haken hing Pinky.
Pinky ist ein verführerisch laufender Sausack, der oben genannten Gummifischedelschmiede Lieblingsköder. Die Farbe Pink sollte laut den Herren Hersteller für Wolken und trübes Wasser geeignet sein. Leichter englischer Nieselregen befeuchtete die Wangen meiner Freundin und meine eigenen. Der Himmel war bedeckt und ließ keinen Platz für einen malerischen Sonnenuntergang. Immer wieder wurden unsere Köder in Richtung der tiefen Kante geschmissen. Nach zwei Stunden dachten wir schon heimlich an die Heimfahrt und leiteten öffentlich den letzten Wurf ein. Alle Angler kennen das. Frau oder Mann hat nichts gefangen und so wird bis zur allerletzten Minute probiert, gemacht und getan. Pinky sauste Richtung Horizont, klatschte Sekunden später auf das wellige Wasser auf. Er rauschte in die Tiefe und ein kurzes Zucken in meiner Angelrute meldete mir Grundkontakt. Kurbeln und dann wieder absinken lassen. Immer wieder. Langsam arbeitete sich Pinky die steile Kannte hoch. Innerlich hatte ich bereits trockene Klamotten an und lag mit meiner Freundin gemütlich auf der Couch unseres Ferienhauses. Ein kräftiges Tock riss mich vehement aus meinen Träumen. Ein harter Anbiss, wie ich ihn bisher beim Zanderangeln nicht kannte. Wilde Kopfstöße im Punkrock Staccato Rhythmus drangen durch die Rute und in meinen kompletten Arm. Nur nichts falsch machen, dachte ich mir. Adrenalin schoss durch jede meiner Adern. Immer wieder gab Monsieur Dracula, wie ich die Zander liebevoll nenne, ordentlich Druck und meine Rute war krumm bis zum Anschlag. Dann kam der erlösende Moment. Ein wirklich kapitaler Zander glitt mit stolz aufgestellten Rückenflossen über den Kescherrand. Das Wetter spielte absolut gar keine Rolle mehr und meine nassen Socken waren mir nun völlig egal.
Urschrei
Zwei Jahre lang habe ich ein Ziel verfolgt. 24 Monate die Natur mit all Ihren Facetten genossen. Kiloweise Holzkohle gegrillt und unzählbare schöne Stunden am Wasser verbracht, von denen ich keine einzige Sekunde missen möchte. All das machte sich in einem Schrei breit, der über den gesamten Baggersee im Land der Tulpen und Windmühlen hallte. Ich konnte nicht anders. All das musste raus. Hier und jetzt. Das Ziel ist erreicht, aber aufhören? Nein, das geht nicht mehr. Jetzt erst Recht nicht. Der Holzkohlevorrat in meinem Keller wird wieder aufgefüllt. Lieblingsköder werden weiter gesammelt. Frischluft soll Büroluft weichen. Der kleine Bear Grylls in mir ist weiter gewachsen und das ist ein verdammt schönes Gefühl!
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